Fernsehen vs. Streaming – Jugendschutz bei Streamingdiensten

Jugendschutz

Fernsehen ist out. Streamingdienste sind in. So wirkt es, wenn man der Generation zuschaut, die mit dem Internet aufwächst. Was sich die Kinder und Jugendlichen nicht ansehen sollten, wird durch die Jugendschutzbestimmungen geregelt, theoretisch. Denn nicht nur Fernsehsender, sondern auch Streamingdienste müssen nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) handeln. Weil jedoch viele dieser Dienste in dem Ausland ansässig sind, lässt sich deutsches Recht bei Verstößen nicht durchsetzen. Denn dort gilt das Recht des entsprechenden Landes, erklärt der Geschäftsführer des Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V. (FSF), Joachim von Gottberg.

Regelung durch Jugendmedienschutz-Staatsvertrag

Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) schreibt vor, dass die mit einer FSK-Freigabe „ab 16 Jahren“ beziehungsweise „ab 18 Jahren“ gekennzeichneten Sendungen nur zwischen 22 Uhr und 06 Uhr beziehungsweise zwischen 23 Uhr und 06 Uhr gezeigt werden dürfen. Zudem müssen sie diese Sendungen entsprechend § 12 Abs. 1 JMStV deutlich gekennzeichnet werden. Liegt für eine Sendung keine FSK-Freigabe vor, wie das beispielsweise bei Eigenproduktionen der Fall ist, darf der Anbieter selbst bewerten, mit welcher Altersfreigabe er die Sendung kennzeichnet.

Nur wenn der Anbieter es durch „technische oder sonstige Mittel“ unmöglich macht oder wesentlich erschwert, dass Kinder oder Jugendliche ihrem Alter nicht angemessene Sendungen sehen können, oder er das Angebot mit einer entsprechenden Alterskennzeichnung versieht, darf er die Sendung auch außerhalb der Zeitbeschränkung ausstrahlen. Demnach genügt es auch, wenn er die Sendungen getrennt von anderen Inhalten verbreitet.

Streamingdienste setzen Jugendschutzvorkehrungen unterschiedlich um

Eigentlich sollten dadurch die Vorschriften für alle Telemedien geregelt sein, die sich an deutsche Zuschauer richten. Doch die teils im Ausland ansässigen Streamingdienste setzen die Jugendschutzvorkehrungen sehr unterschiedlich um.

  • Netflix:
    Bei Netflix wird bereits in dem Anmeldeprozess das Alter abgefragt: Das muss laut den AGB des Streamingdienstes mindestens 18 Jahre betragen. Der FSF testete die Anmeldung durch eine 15-jährige Person, die ein falsches Geburtsjahr angab. Letztlich konnte diese Testperson das Angebot ohne Einschränkungen nutzen, berichtet Joachim von Gottberg. Nutzer können Unterkonten anlegen, für die Beschränkungen gelten. Das ist aber sinnlos, wenn dem Hauptkonto keine PIN zugewiesen wurde. Dasselbe gilt für die in jedem Fall nötige PIN-Eingabe vor dem Streamen eines ab 18 Jahren freigegebenen Titels. Hat der Hauptnutzer keine PIN hinterlegt, gilt eine Standard-PIN, nämlich 0000.
  • Waipu.tv setzt Jugendschutzvorkehrungen unter anderem mithilfe eines PIN-Codes um. Mit diesem kann der Zugang zu bestimmten Sendern, Filmen und Serien gesperrt werden. Außerdem kann der Zugang zu Online-Videotheken wie maxdome und Amazon Prime Video gesperrt werden. Auch die Möglichkeit, die Elternzeit zu aktivieren, ist bei Waipu.tv integriert. Diese Funktion sperrt alle Inhalte, die für Kinder ungeeignet sind, für einen bestimmten Zeitraum. Weiterhin ermöglicht Waipu.tv den Nutzern, individuelle Profile für jedes Familienmitglied anzulegen. Auf diese Weise können Eltern sicherstellen, dass ihre Kinder nur Zugang zu Inhalten haben, die für sie geeignet sind.
  • Amazon Prime Video:
    Nach einer einfachen Anmeldung können nahezu alle Inhalte des Streamingportals abgerufen werden. Lediglich bei den Inhalten mit Altersfreigaben über 18 Jahren erfolgt eine Abfrage des Alters. Die kann über die Eingabe einer Personalausweisnummer oder auf der Basis der Kundendaten erfolgen. Durch das Festlegen einer PIN können Nutzer den Zugang für Dritte einschränken.
  • Maxdome:
    Maxdome ist sicherlich das Angebot mit den umfangreichsten Jugendschutzvorkehrungen, sagt Joachim von Gottberg. Während der Anmeldung fragt Maxdome das Alter des Nutzers nicht ab. Jedoch muss eine Zahlungsmethode ausgewählt werden. Der Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V. hat die Kontonummer einer 15-jährigen Testperson verwendet. Die Anmeldung konnte dennoch abgeschlossen und das Angebot genutzt werden.
    Doch die Internetseite von Maxdome ist mit dem age-de.xml-Label versehen. Wenn ein Jugendschutzprogramm auf dem Computer installiert ist, mit dem auf das Angebot zugegriffen wird, wird dadurch der Zugriff auf Inhalte mit höherer als der in dem Programm eingestellten Altersfreigabe verwehrt. Weil mit mobilen Endgeräten keine Vergabe einer Jugendschutz-PIN auf der Maxdome-Webseite möglich ist, kann das Jugendschutzprogramm nicht auf diese Art umgangen werden. Erst nach der Altersverifizierung durch einen sogenannten Perso-Check können ab 18 Jahren freigegebene Inhalte gestreamt werden und Hauptnutzer eine PIN für mit Altersfreigaben versehene Angebote angeben. Optional kann sich der Hauptnutzer von Maxdome eine E-Mail zusenden lassen, wenn ein Film mit Altersfreigabe angefordert wurde, um das Nutzungsverhalten der Mitnutzer zu beobachten. Mit dem „Kids-Account“ können nur Inhalte gestreamt werden, die von der Maxdome-Redaktion als nicht entwicklungsbeeinträchtigend oder jugendgefährdend eingestuft wurden.
  • iTunes:
    Besonders lasch sind die Jugendschutzmaßnahmen bei iTunes. Unabhängig von seinem Alter kann sich der Nutzer anmelden und kann sich alle Inhalte ansehen, auch die mit der Altersfreigabe ab 18 Jahren. Es ist lediglich die Angabe eines Zahlungsmittels nötig. In dem Test des Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V. wurde dafür die Kreditkarte des Vaters der 15-jährigen Testperson angegeben. Danach waren auch Filme mit der Altersfreigabe ab 18 Jahren für die Testperson uneingeschränkt verfügbar. Es erfolgte lediglich der Hinweis „Dieser Artikel enthält Material, das für Kinder unter 18 Jahren möglicherweise nicht geeignet ist“.

Fazit: Verbesserungswürdig

Sendungen mit Altersfreigaben über 16 oder 18 Jahren sind für Kinder und Jugendliche ohne größere Hürden erhältlich. Das gilt sowohl für die herkömmlichen Fernsehsendungen als auch für Streamingdienste. Aufnahmefunktionen des TV-Empfängers oder der TV-App, Online-TV-Rekorder und Videoportale wie YouTube ermöglichen es, Fernsehsendungen auch außerhalb des laufenden Programms zu sehen. Die meisten Streamingdienste bieten ebenfalls keinen ausreichenden Jugendschutz. Hinzu kommt die Vielzahl der Video-on-Demand-Webseiten, die sich in der Grauzone der Legalität bewegen, beispielsweise kinox.to. Umfassender Jugendschutz ist also nicht per se gegeben. Letztlich liegt es, wie so oft, in den Händen der Eltern.